Poltern

Was ist Poltern?

„Rede doch mal langsam“, „Nuschel nicht so“, „Sag‘ das nochmal bitte!“
Aussagen, die Betroffene häufig zu hören bekommen. Sie versuchen ihr Bestes, aber die Wörter schießen einfach aus ihnen heraus. Das Denken geht so schnell, dass die am Sprechvorgang beteiligte Muskulatur nicht mehr hinterherkommt, die einzelnen Laute, Silben und Wörter präzise zu artikulieren. Es fließt alles ineinander. Die Sprache klingt somit verwaschen, teils völlig unverständlich und irgendwie einseitig. Die Sprachmelodie fehlt, es gibt kaum Höhen und Tiefen im Stimmklang. Sprechpausen, z.B. nach dem Beenden eines Satzes, gibt es nicht wirklich, stattdessen werden neue Gedanken ungeordnet in Form von zahlreichen Nebensätzen in die Erzählung eingeflochten. Verliert der Betroffene beim Sprechen den Roten Faden, werden Wörter und Satzteile wiederholt. Das Sprechtempo schwankt dabei erheblich und die Zuhörer schalten häufig ab, weil sie nicht mehr mitkommen. Es entsteht der Eindruck, der Betroffene überhole sich selbst.
Von dieser Redeflussstörung sind sowohl Kinder und Jugendliche, als auch Erwachsene betroffen. Bislang ist sie noch wenig erforscht. Oft begleitet diese besondere Sprechweise die Betroffenen lebenslang in unterschiedlicher Ausprägung. Eine Therapie ist in jedem Falle sinnvoll.

Unterschiede zwischen Stottern und Poltern

Beim Stottern (Balbuties) handelt es sich um eine Sprechstörung. Es wird unterschieden zwischen klonischem und tonischem Stottern. Der Redefluss beim klonischem Stottern ist durch schnelle Wiederholung von einzelnen Lauten, Silben oder Wörtern gekennzeichnet. Häufig treten parallel Verspannungen der Sprechmuskulatur auf. Beim tonischen Stottern kommt es zur Dehnung von Silben und Sprechpausen. Diese Symptomatik wird oft von verschiedenen Mitbewegungen, wie dem Ineinanderpressen der Hände sowie Bewegungen des Kopfes begleitet. Vom Stottern sind sowohl Kinder, als auch Jugendliche und Erwachsene betroffen.

Beim Poltern handelt es sich um eine Mischung aus Sprech- und Sprachstörung. Gekennzeichnet ist das Poltern vor allem durch ein hohes und unregelmäßiges Sprechtempo. Aufgrund vieler Satzabbrüche und Sprechfehler, bei dem die Laute, Silben und Wörter ineinanderfließen, ist die Sprache undeutlich bis unverständlich. Hier liegt die Störung eher in der gedanklichen Vorbereitung der Sätze als im Sprechvorgang selbst.

Welche Ursache hat Poltern?

Zu den Ursachen vom Poltern gibt es bislang noch wenig Forschungsmaterial. Im Augenblick wird davon ausgegangen, dass Poltern erblich bedingt ist. Ausschlaggebend können aber auch ungünstige Entwickungsvoraussetzungen in der Kindheit sein. Auswertungen von Untersuchungen mit der funktionellen Magnetresonanztomographie (MRT) zeigen zudem, dass die Hirnströme bei polternden und stotternden Menschen unterschiedlich aussehen. Bei polternden Menschen werden Sätze bereits gesprochen, bevor deren Planung im Gehirn beendet wurde. Viele Betroffene äußern, dass sie „sehr schnell denken“ und die Gedanken dann nicht ebenso schnell in Sprechbewegung umsetzen können. Es scheint also Störungen in der Koordination zwischen den Prozessen des Gehirns und des Sprechapparates sowie in der Wahrnehmung und der Steuerung zeitlicher Abläufe zu geben.

Ab wann sollte Poltern therapiert werden?

Das Poltern sollte therapiert werden, sobald erkennbar ist, dass die Kommunikationsfähigkeit und das Leben der Betroffenen stark von der Symptomatik beeinflusst wird. Der Leidensdruck wird durch fehlende Therapie eher steigen, da das Bewusstsein für die Diagnose nicht geschult ist und die Betroffenen immer nur auf den Druck ihres Umfeldes reagieren, ohne zu wissen, wie sie selbst etwas ändern können. Dies kann u.a. zu Sprechängsten und anderen psychologischen Auffälligkeiten im sozialen Bereich führen.

Was können Angehörige, ErzieherInnen und LehrerInnen tun?

Sind die Betroffenen bereits in logopädischer Therapie, wird der Therapeut je nach Alter der Patienten direkt das Gespräch mit Angehörigen oder anderen wichtigen Personen des nahen Umfeldes suchen. Mit älteren Betroffenen wird besprochen, ob und wie das nahe Umfeld von der Problematik in Kenntnis gesetzt wird und wie sie selbst ihr Umfeld und das Umfeld sie selbst unterstützen können. Wichtig ist, die Betroffenen nicht unter Druck zu setzen. Die Kenntnis über die diagnostizierte Redeflussstörung sollte die Möglichkeit zu einem empathischen Umgang damit bieten. Eine weitere Unterstützung kann durch die Vertreter der ICA (International Cluttering Association) erfolgen.
Sind die Betroffenen noch nicht in logopädischer Behandlung und Sie vermuten eine Redeflussstörung wie das Poltern, so gehen Sie selbst mit dem Menschen oder/und Angehörigen in ein offenes Gespräch. Sagen Sie, was genau Ihnen auffällt und dass Sie bemerken, dass es große Schwierigkeiten in der Kommunikation gibt. Empfehlen Sie, die Sache einmal ärztlich abklären zu lassen. Seien Sie dabei einfühlsam, aber auch ehrlich. Dies gilt für das Gespräch mit Kindern und ihren Eltern, genauso wie für Jugendliche und Erwachsene. Für eine erste Diagnostik wird dann ein Termin bei Fachärzten für Hals-, Nasen- Ohrenheilkunde oder der Phoniatrie vereinbart.

Wie wird Poltern festgestellt?

Die meisten polternden Menschen und ihre Angehörigen wissen um die typische Symptomatik Bescheid, ohne zu wissen, dass es sich um eine diagnostizierbare Redeflussstörung handelt. Die Diagnose Poltern erfolgt durch Fachärzte für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und durch Phoniater. Diese stellen mittels verschiedener Verfahren und einer gezielten Anamnese fest, ob es sich tatsächlich um Poltern handelt. Wird eine Verordnung nach dem Heilmittelkatalog für Sprechtherapie ausgestellt, wenden sich die Betroffenen für die Behandlung an Logopäden. Hier erfolgt eine weitere, detailliertere Anamnese, die zum Ziel hat, die Therapie nach der individuellen Symptomatik anzupassen und Therapieziele- und inhalte gemeinsam festzulegen. Im Gespräch wird auch das allgemeine Kommunikationsverhalten besprochen, z.B. ob und wie die Symptome vom Betroffenen selbst wahrgenommen werden. Gibt es vermeidendes Verhalten in Bezug auf das Sprechen und wenn ja, was sind die Strategien? Oder liegt eine generelle Sprechangst vor? Der Therapeut macht sich dann zuerst ein Bild über die Spontansprache des Betroffenen, in Bezug auf die Aussprache, das Sprechtempo, die Sprachmelodie und die Stimme. Zudem wird darauf geachtet, ob flüssig gesprochen wird oder ob Sätze häufig abgebrochen werden. Gesondert werden die Sprech- und Mundmotorik geprüft, z.B. ob schnelle Silbenfolgen korrekt ausgesprochen werden können, die Fähigkeit zur bewussten Änderung des Sprechtempos und auch die Merkfähigkeit von gerade Gehörtem (auditive Merkfähigkeit).

Symptomatik und Therapie von Poltern

Typische Kennzeichen:

  • sehr schnelles Sprechen und ein schwankendes Sprechtempo
  • Undeutliches, teils unverständliches Sprechen, bei dem Sprachlaute ineinanderfließen
  • Häufige Satzabbrüche und viele Nebensätze, wobei der Rote Faden des Hauptsatzes verloren geht
  • Fehlende Sprachmelodie, monotone Sprechweise
  • Einschub von Floskeln, wie „ähm“, „halt“ oder „ne“
  • Störungen in der Aufmerksamkeit und Schwierigkeiten Gehörtes wahrzunehmen und in den Dialog mit dem Gegenüber einzubeziehen

In der Therapie wird auf die individuelle Symptomatik eingegangen. Es geht darum, die Betroffenen an ihren Alltag angepasst zu fördern und zu unterstützen. Damit das geschehen kann, werden u.a. Übungen zur eigenen Wahrnehmung durchgeführt.

Weitere Inhalte der Therapie können sein:

  • Übungen zur Anpassung des Sprechtempos und der sprachlichen Strukturierung, z.B. über die Koordination von Atmung, Bewegung und Stimme
  • Die Arbeit an der Sprachmelodie
  • Präsenz und Körperhaltung
  • Ausgleich ganzkörperlicher Spannungsverhältnisse sowie gezielter Auf- und Abbau von muskulären Spannungen
  • Schulung der Atmung und Kräftigung der an der Atmung beteiligten Muskulatur
  • Rhythmik
  • Korrekte Lautbildung und präzise Artikulation
  • Grammatik
  • Auditive Wahrnehmung und Aufmerksamkeitsspanne

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